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Johann Andreas Schmellers
„Bayerisches Wörterbuch“

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Benutzung des Wörterbuchs

Aus heutiger Sicht - und wahrscheinlich auch aus damaliger Sicht - ist die Benutzung des Schmellerschen Wörterbuchs nicht ganz einfach. Dafür sind verschiedene Eigenheiten verantwortlich.

Nicht in alphabetischer Anordnung

Wegen der Unterschiedlichkeit der Dialektgebiete und weil es im Dialekt von Dorf zu Dorf wechselnde Formen des gleichen Wortes gibt, sah sich Schmeller veranlasst, bei der Anlage des Wörterbuchs eine andere als die rein alphabetische Ordnung zu wählen.Die Abfolge ist nicht streng alphabetisch, sondern richtet sich primär nach deren Konsonantengerüst (sog. „Stammsilbenprinzip“). Er nennt sein Prinzip selbst die „AUBC-Ordnung“.

Die Anordnung der Wörter mag zwar auf den ersten Blick kompliziert erscheinen, aber wenn man es einmal verstanden hat, kann es das Suchen erleichtern. Dass die von Schmeller gewählte Anordnung sinnvoll ist, zeigt die Tatsache, dass später auch andere Dialektwörterbücher wie das Wörterbuch der schweizerdeutschen Mundarten nach Schmellers Modell angelegt wurden. Die Suche nach den Stichwörtern bereitet zwar für ungeübte Benutzer einige Schwierigkeiten; dem zweiten Band der zweiten Auflage ist ein alphabetisches Register beigefügt.

Zeitgenössisches und älteres Vokabular in einem Wörterbuch

Es sind nicht nur Wörter des zeitgenössischen Dialekts, sondern auch Wörter aufgenommen, die bereits zur Zeit Schmellers nicht mehr gebräuchlich waren, denn:

„Dieses Wörterbuch ist … nicht blos ein Idiotikon über die, in den lebenden Dialekten vorkommenden Ausdrücke, und nicht blos ein Glossarium über die, in ältern Schriften und Urkunden gefundenen, sondern beydes zugleich. Was ist findet in dem, was war, und dieses in jenem seine natürlichste Erklärung“ (Einleitung VII).

Schmeller will also nicht nur die Besonderheiten erfassen, sondern den ganzen Wortschatz. Solche Wörterbücher sind heute im Fach Stand der Wissenschaft; damals war die Idee neu. So wie durch die Berücksichtigung der verschiedenen Mundartgebiete ein Vergleich der lebendigen Sprachregionen ermöglicht wird, wird durch die historische Dimension auch ein Vergleich zeitlich aufeinanderfolgender Sprachstufen möglich. Schmellers Belege reichen bis zu den ältesten Denkmälern der Überlieferung zurück. Die Hauptquelle bildet aber die zu seiner Zeit verwendete Mundart. Davon zeugen auch die Sprichwörter, Spottlieder und andere Verse aus dem Volksmund, die er in großem Umfang aufgezeichnet und als Beispiele für den alltäglichen Sprachgebrauch angeführt hat.

Abweichungen vom hochdeutschen Sprachgebrauch

Schmeller stellt diejenigen Bedeutungen eines Wortes heraus, die vom hochdeutschen Sprachgebrauch abweichen. Wenn die mundartliche Verwendung mit der Hochsprache übereinstimmt, heißt es lediglich: „wie hochdt.“. Dies bedeutet, dass man die betreffende Verwendung im „Grammatisch-kritischen Wörterbuch der hochdeutschen Mundart“ von Johann Christoph Adelung (²Leipzig 1793-1801) nachschlagen kann. Schmeller wollte mit seinem Wörterbuch auch eine Ergänzung zu den allgemeinen deutschen Wörterbüchern (insbesondere zu Adelung) schaffen, eine Ergänzung für die besonderen, vom hochsprachlichen Gebrauch abweichenden Verwendungen in der Mundart.

Die Wörterbuchartikel entschädigen immer wieder durch interessante Abschweifungen und detaillierte volkskundliche Angaben. Viele davon stammen aus den handschriftlichen Nachträgen Schmellers, die Frommann in die zweite Auflage unverändert übernommen hat. Oft zitiert werden seine Erläuterungen zu landesüblichen Bräuchen, etwa unter den Stichwörtern Kammerfenster und Kammer (I, 733, 1243):

„auf dem Lande vorzüglich das Fenster an der Kammer, worin ein unverheirathetes, mannbares Mädchen schläft, sie sey nun die Dirne oder die Tochter vom Hause. An diesem Fenster seufzen die noch unerhörten ländlichen Liebhaber, freuen sich Ihres Glückes die erhörten, jammern und verzweifeln oder trotzen und schelten die verschmähten“.

An’s, unter’s Kammerfenster gen zu Einer, einem Mädchen des Nachts am Fenster ihrer Schlafkammer, und wol in dieser, einen Besuch machen.“

Oder unter dem Stichwort Milch (I, 1591): 

„Am Jacobitag begeben sich die Eigenthümer von Alpen-Vieh aus ihren Dörfern auf die Alpen, um nachzusehen, welchen Alpen-Nutzen, d.h. Ertrag an Milch, Butter etc. sie sich von jedem Stück, das den Sommer auf der Alpe zubringt, versprechen dürfen. Es wird zu diesem Behufe die Milch gemessen, welche jede Kuh an diesem Abend und den folgenden Morgen gibt. Nach dieser wird der Anschlag auf die ganze Sömmerungszeit gemacht. Daß dieses Milchmessen, vom Tag auch Jakobsen genannt, bey dem heitern Muth der Oberländer zu einer Art von Fest geworden seyn müsse, ist begreiflich. Nicht blos der Hausvater, sondern auch die männlichen und weiblichen Hausgenossen besuchen bey der Gelegenheit ihre Gespielinnen, die sich als Sendinnen auf der grünen Höhe befinden“.

Zum Wörterbuch: Band 1 und Band 2

Verwendete Literatur

Bremer, Ernst und Walter Hoffmann: Wissenschaftsorganisation und Forschungseinrichtungen der Dialektologie, in: Dialektologie. Ein Handbuch zur deutschen und allgemeinen Dialektforschung, hg. von W. Besch u.a., Berlin/New York 1982, Bd I, S. 202–231.

Reiffenstein, Ingo: Zur Geschichte, Anlage und Bedeutung des Bayerischen Wörterbuches, in: Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte 48 (1985), 17–39.

Schmeller, Johann Andreas: Sprache der Baiern. In: Oberbayerisches Archiv 43 (1886), 69–81.

Schmeller, Johann Andreas: Die Mundarten Bayerns grammatisch dargestellt. München 1821.

Schmeller, Johann Andreas: Bayerisches Wörterbuch. Teile 1-4, Stuttgart und Tübingen 1827–1837.

Schmeller, Johann Andreas: Bayerisches Wörterbuch. 2., von G. Karl Frommann bearb. Auflage. Bde 1-2, München 1872–1877.