Schmeller – der erste Mundartforscher
Johann Andreas Schmeller wurde am 6. August 1785 in Tirschenreuth geboren und wuchs in Rinnberg bei Pfaffenhofen an der Ilm auf. Trotz ihrer Armut waren Schmellers Eltern bestrebt, den Studienwunsch des Sohnes zu erfüllen.
Mit seinem elften Lebensjahr begann eine wechselhafte Schulkarriere, die ihn schließlich zum Lyzeum nach München führte. Rektor war Cajetan von Weiller, ein führender Kopf der Münchner Aufklärung, der den Schüler für die Pädagogik Johann Heinrich Pestalozzis begeisterte. Die Münchner Aufklärung prägte Schmeller ein Leben lang.
Aus Solidarität mit Schulfreunden, die als Rädelsführer eines Studentenvereins von der Schulleitung gemaßregelt wurden, verließ Schmeller 1803 ohne Abschluss die Schule.
Militärdienst und Sprachstudien
1804 brach er in die Schweiz auf, um bei Pestalozzi eine Anstellung zu suchen. Von diesem abgewiesen, ließ er sich von einem Schweizer Regiment zum Dienst in Spanien anwerben. Auch als Schweizer Korporal in Tarragona blieb er Pestalozzis Methode treu.
1806 wurde er als Lehrer in einer Schule für Soldatenkinder eingesetzt, im selben Jahr ging er nach Madrid, um eine Pestalozzi-Schule für Offizierssöhne mit aufzubauen. Nach deren Schließung kehrte Schmeller 1808 in die Schweiz zurück, wo er ebenfalls an verschiedenen Lehranstalten unterrichtete.
In einer unveröffentlichten Schrift „Hinsicht aufs Vaterländische in der Erziehung“ aus dem Jahr 1812 betont Schmeller – für die Zeit keineswegs eine Selbstverständlichkeit – die Wichtigkeit des muttersprachlichen Unterrichts und zwar – fast unerhört – in seiner mundartlichen Form. Und in sein Tagebuch schrieb er die prophetischen Zeilen: „Mir ward menschlicher Besitzthümer keines, nicht Ahnen, nicht Gold, nicht Äcker – nur die Sprache. Die Worte sind mein Grund und Boden, der mir Brod, vielleicht sogar Ehre ertragen soll“.
Bevor sich diese Prophezeiung bewahrheiten sollte, tauschte Schmeller das Schulmeisterkleid wieder mit dem Soldatenrock. Als sich Bayern gegen Napoleon wendete, meldete er sich umgehend für sein Vaterland zum Militärdienst und wurde 1814 zum Oberleutnant ernannt. Sein Regiment im Jahre 1815 hinter den siegreichen Verbündeten nach Frankreich marschierte.
Mitbegründer des Fachs „Deutsche Philologie“
Schmeller gehört mit seinen Freunden Jacob und Wilhelm Grimm zu den Gründern des Fachs Deutsche Philologie; er war der erste, der sich als Philologe mit den Mundarten befasste. Seine wissenschaftliche Wirkungsstätte und geistige Heimat war die Bayerische Akademie der Wissenschaften; 1823 wurde er zum außerordentlichen, 1829 zum ordentlichen Mitglied gewählt. Er wirkte als Bibliothekar der Königlichen Hof- und Staatsbibliothek und war erster außerordentlicher, später erster ordentlicher Professor für Deutsche Philologie an der Ludwig-Maximilians-Universität.
Seine Leistungen als Philologe und als Bibliothekar haben immer noch Bestand; sein „Bayerisches Wörterbuch“ ist noch heute im Druck und steht auch in den Regalen der Buchhandlungen; es gibt kaum ein weiteres streng philologisches Werk, bei dem dies nach über fast anderthalb Jahrhunderten der Fall ist. Eine Schmeller-Büste ist in der Ruhmeshalle in München aufgestellt.
Schmeller beschäftigte sich neben der Arbeit am Wörterbuch und an der Grammatik vorwiegend mit weiteren philologischen Themen. Er hat zum Beispiel als Ergebnis zweier Forschungsreisen nach Oberitalien eine Grammatik und ein Wörterbuch des Sprachinseldialekts Cimbrisch vorgelegt. Typisch für ihn ist eine Bemerkung im Tagebuch für das Jahr 1821. Nach einem Aufenthalt in Augsburg, wo er Satzkorrekturen für das Wörterbuch durchgeführt hatte, notiert er, wie er sich von der Arbeit am Wörterbuch ablenkt:
„Um vor langer Weile und Lebens-Überdruß nicht zu vergehen habe ich mir meine Grammatiken in Reihe und Glied gestellt, und so nehme ich jeden Tag eine andere Sprache vor. Sie kommen in der Ordnung: Sanskrit, Persisch, Arabisch, Hebräisch, Madyarisch, Griechisch (alt und neu), Latein, Italienisch, portugiesisch, spanisch, französisch, russisch, böhmisch, polnisch, englisch, dänisch, holländisch.“
Nachruhm und Nachlass
Johann Andreas Schmeller starb am 27. Juli 1852 und wurde auf dem Alten Südlichen Friedhof in München begraben (Gräberfeld 2, Reihe 7, Platz 40). Sein gesamter wissenschaftlicher und privater Nachlass („Schmelleriana”) wird in der Bayerischen Staatsbibliothek in München aufbewahrt.
Schmellers Tagebücher, ediert von P. Ruf, geben wichtige Einblicke in das Münchner Alltagsleben sowie in die Geschichte der Münchner Universität und der Akademie der Wissenschaften in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Sein Briefwechsel, von W. Winkler herausgegeben, dokumentiert enge Freundschaften und seinen fachlichen und privaten Austausch mit der Gelehrtenwelt Europas.