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Johann Andreas Schmellers „Bayerisches Wörterbuch“ (Bavarian Dictionary)

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Schmellers „Antrag“ an die Bayerische Akademie der Wissenschaften:

(Download des Drucks von 1886 als PDF)

Sprache der Baiern.

Gedanken über ein zu bearbeitendes baierisches Idiotikon, oder Sammlung des Eigenthümlichen der baierischen Volkssprache.

von

H. A. Schmeller,

Ober-Lieutenant im k. I. Jäger-Bataillon.

München, 14. Februar 1816.

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Schon aus der Naturnothwendigkeit, daß jedes Einzelwesen zu seinem Seyn einen andern Raum einnehmen muß, ergiebt sich das Unmögliche des oft gehörten Wunsches: es möchte doch für alle Völker der Erde Ein Staat, Eine Kirche, Eine Sprache bestehen. Jede Kraft des Menschen muß sich an anderm Ort, in andrer Zeit, auch auf andre Art entwickeln. Alles geht ins Verschiedene, Manigfaltige. Es ist aber unserm Herzen wie unserm Verstande ewiges Bedürfnis, das Verschiedene, Manigfache zu verallgemeinen, zu vereinen. Und wie schön, daß dieses, wenn auch nie sein Ziel erreichende Streben uns die zugetheilte Lebensweile mit täuschender Anmuth verkürzen hilft.

Nur Eine Sprache möchten wir daß es gäbe. Aber es giebt deren schon in unserm kleinen Europa so viele. Und wenn der Deutsche von der Spree oder Elbe zum Deutschen an der Aar und am Inn wandert, so ist gegenseitig ihre Verwunderung, daß sie nur mit Mühe einander verstehen.

Wohl mögen wir in diesen Umstand eine Absicht der Natur legen, dem menschlichen Geiste statt langweilig marternder Einförmigkeit zu wohlthuender Geschäfftigkeit Stoff zu geben; es sollte nicht die Eine Form, die Eine Sprache den Menschen, sondern der Mensch die Sprachen umfassen.

So hat das Streben nach Einheit durch zusagende Umstände begünstigt, schon vom 16. Jahrhundert an aus den verschiedenen Theilsprachen der deutschen Lande eine nun beinah allgemeingültige Gesammtsprache erzogen. Dabei sind aber die Theilsprachen, in welchen allein Boden, Leben und Wachsthum der Gesammtsprache begründet ist, ganz ausser dem Kreise der Beobachtung und regelnden Aufzeichnung gehalten, größtentheils der Vergessenheit oder Verwilderung überlassen worden.

Ist die Sprache überhaupt der Abdruck des äußern und innern Lebens eines Volkes, so zeichnet die allgemeine Büchersprache zunächst nur das Leben der höhern in angelernten Formen sich bewegenden Stände; in das vielsinnige Naturleben des Volkes vermag die vornehme, glatte selten recht einzugreifen, sollte sie auch von der Furcht, sich gemein zu machen, nicht zurückgehalten werden. Dieses Volksleben drückt sich nur in der Volkssprache aus – und in soferne das Eigenthümliche derselben in der Abkunft dieses Volkes, seinen Schicksalen und Verhältnissen mit andern Völkern – so wie in der vorwaltenden Beschaffenheit seines Landes in Hinsicht des Bodens, der Witterung, der Nahrungsmittel, der Krankheiten, und in seiner Lebensart und Beschäfftigung – geschichtliche Entstehungsgründe haben kann, muß die Beleuchtung desselben zu manchem, sonst nicht wohl möglichen Rückschluß auf die Geschichte dieses Volkes und andere merkwürdige Umstände einen nicht zu verachtenden Weg bereiten.

Wer das Volk beobachtet hat, wird gefunden haben, daß die allgemeine Büchersprache für den gemeinen Mann, wenn er’s auch so weit gebracht haben sollte, sie so ziemlich zu verstehen, immer ein sehr unbequemes Mittheilungsmittel ist, dessen er sich nur nothgedrungen und auf äusserst unbeholfene Weise bedient. Mit eben der Demuth oder Gekränktheit, mit er in Rücksicht seiner Standesverhältnisse die stolzen Glücklichern über sich sieht, empfindet er, daß auch seine Art sich auszusprechen, sein Inneres zu offenbaren in einem tiefern verachteten oder bemitleideten Kreise sich bewegt. Er ist in keiner rechten Geistes-Gemeinschaft mit seinem Prediger, Richter – so lang er sehen muß, daß seine heimatlichen Töne diesem nicht auch geläufig, vielleicht gar nicht immer ganz verständlich sind. Dabei treten manchmal Misstände ein, die beinahe an das Verhältniß des esth- und liefländischen Bauern zu seinem deutschen Gebieter erinnern möchten – während in Ländern, wo das Volk aus verschiedenen Gründen eines regern freudigern Lebens genießt, auch von den höhern Ständen vorzugsweise nach der volksüblichen Art gesprochen wird, wie man sich z.B. in der Schweiz überzeugen kann, deren geschätzteste Volkslehrer und Redner nichts weniger als immer der hochdeutschen Sprechart mächtig sind.

Man ist gewöhnt, auf jede Mundart, die nicht mit der einmal angenommenen Schriftsprache übereinstimmt, mit Verachtung herabzusehen. Darinn geht das Streben nach Einheit wahrlich zu weit. Was in Vergleichung mit einem angenommenen Muster abweichend und fehlerhaft ist, kann auch für sich selbst bestehend und als einzig rechtmäßiges Muster gedacht werden. Es braucht weiter nichts, als daß der Wörter-Vorrath einer Mundart gesammelt, ihre Regeln wissenschaftlich aufgestellt, und in ihr geschrieben werde, um sie selbstständig in die Reihe der Sprachen zu setzen, wie wir z.B. an der portugiesischen hinsichtlich der spanischen, und an der holländischen sehen, die sich stolz neben die hochdeutsche Stammhalterinn hinstellt.

Solch eine gänzliche Abtrünnigkeit und Selbständigmachung der Mundart tritt aber andrerseits dem Streben nach Einheit nicht weniger nachtheilig in den Weg. Nur wenn die Aufstellung und der Gebrauch einer, die ganze Völkerschaft umfassenden Gesammtsprache nicht ausgeschlossen ist, wird die Ausbildung der einzelnen Mundarten, statt der zu bezweckenden Sprach-Einheit hinderlich zu seyn, selbe vielmehr mächtig befördern.

Wenn damit angefangen wird, den gemeinen Mann oder vielmehr den jungen Nachwuchs in den Volksschulen in den Stand zu setzen, daß er erst über seine eigne Rede nachdenken, in den verschiedenen Sprach-Erscheinungen das Uebereinstimmende, zur Regel werdende auffinden könne, wird er um so mehr Aufmerksamkeit und Achtung für die Gesetze der allgemeinern Sprache haben, welche ihm dann nicht mehr auf Kosten der Eigenthümlichen eingezwungen zu werden braucht. Es versteht sich, daß bei der Bearbeitung einer Mundart immer der Blick auf die Gesammtsprache gerichtet bleibe, daß die Mundart im Sinn der Gesammtsprache, jedoch ohne Gewaltthätigkeit veredelt und dieser immer mehr zugebildet werde.

Wie viele Dinge giebt es nicht zu sagen, die nicht bündiger, treffender, eindringender, lieblicher gesagt werden können als eben in einer Volkssprache? Sollten wir uns dieses Mittels berauben, sollte sich nicht jeder Freund seines Volkes schon deswegen mit der Sprache desselben ernstlich beschäfftigen?

Es giebt in Deutschland ansehnliche Länder, die sich z.B. noch keines nahmhaften Dichters rühmen können. Sollte das in der verschiedenern Landessprache liegen? So viel ist gewiß, selten wird das Volk solcher Länder, um in unbefangener Lebenslustigkeit seine Freude, seinen Muthwillen so recht auszuströmen etwa zu einem hochdeutschen Liede seine Zuflucht nehmen. Vielleicht steht in diesen Gegenden erst in der Sprache des Volkes eine lebendige nicht nachgeahmte Natur-Poesie auf. Was giebt es herrlichers in seiner Art, als Hebels allemanische Gedichte?

Man darf annehmen, daß alle Wörter der verschiedenen Mundarten einer Ursprache – Glieder von Familien sind von denen die Stämme oder andre Glieder entweder in der allgemeinen Büchersprache oder in der einen oder andern Volkssprache in Uebung seyn werden.

Das ergänzende Zusammensuchen und Zusammenstellen der in den Mundarten als Glieder oder Stämme zerstreuten Wörter einer Ursprache ist für die richtige Ansicht und Regel-Lehre dieser Sprache und deren vollständige wohlgeordnete Aufstellung als Gesammtsprache von unumgänglicher Nothwendigkeit – und wenn die Büchersprache nicht eine Sammlung Alles Deutschen, so muß sie es doch wenigstens alles Besten der Theilsprachen seyn, und nur aus Arbeiten über die Theilsprachen kann ihr deren Vorzügliches bekannt werden, um es in sich aufzunehmen, anderes zu ergänzen, zu erklären, abzuleiten.

Aus diesen Betrachtungen scheint hervorzugehen, wie nützlich für die Geschichte – für die Volksbildung – wie wichtig für die Vervollkommnung der Gesammtsprache die Bemühungen der Männer seyn müssen, welche versucht haben und versuchen, das Eigenthümliche in der Volkssprache ihrer Gegenden zusammenzutragen, und so vor dem Verlorengehen gesichert als bleibenden vielseitig benutzbaren Vorrath in den großen Schatz der deutschen Gesammtsprache niederzulegen.

Die Benennung Idiotikon ist der stehende Name aller ähnlichen Bearbeitungen von Mundarten geworden, die im Verlauf der letztern Jahrzehende nach und nach erschienen sind, und die gewöhnlich nach Ordnung der Anfangs-Buchstaben eine größere oder geringere Anzahl von Ausdrücken und Wörtern, die der Landschaft eigenthümlich und unter derselben Form und Bedeutung nicht in der Büchersprache bekannt sind, mit deren Erklärung enthalten. In einigen derselben ist überdieß bei den einzelnen Wörtern die Abstammung und Verwandtschaft nachgewiesen – und selbst eine Art kleiner Formenlehre vorausgeschickt.

Wir haben bis jetzt Idiotika über mehrere Abarten des Niederdeutschen; für den einen der beiden oberdeutschen Hauptdialekte den alemanischen hat Stalder in seinem schweizerischen Idiotikon wol das Beste dieser Art geliefert. Es trifft nun füglich die Reihe den andern Hauptdialekt Oberdeutschlands, welchem von seinem Volksstamme, der, aus den dunkeln Anfängen deutscher Geschichte unvermengt in unsre Zeit herabgekommen, vom Lech bis nach Ungarn das große Gebiet der Donau und ihrer Flüsse bewohnt – mit allem Recht der Name des baierischen zukommt.

Da beinahe alle deutsche Volksstämme mehr oder minder natürlich in verschiedene Staatsganze zertrennt sind und durch die Rücksicht auf die Staaten beinahe alle Rücksicht auf die Stämme aufgehoben ist, so könnte wol jemand die Frage aufwerfen: Sollen auch für die Sprachforschung die für die Staaten festgesetzten Grenzen gelten, und etwa eine sich „über baierische Mundart“ nennende Arbeit über alle als Staat so benannten baierischen Lande ausgedehnt werden müssen?

Der jetzige baierische Staat zählt noch weit mehr Bürger schwäbischen und fränkischen als baierischen Stammes. Die Sprache als unauslöschbares Merkmal der Stammgenossenschaft bleibt beinahe unberührt vom wechselseitigen Benagen und Verschlingen der Staaten. Ob schon kein Staat unter dem Namen Schwaben, Franken, Thüringen mehr besteht, wird doch das Volk der Schwaben, Franken ec. noch nach Jahrhunderten durch seine eigenthümliche Sprechart gegen andre als ein Ganzes ausgezeichnet dastehen.

Wenn daher ein Werk über die baierische Mundart die Oesterreicher, Tyroler ec. als Eines Stammes – wegen dem Getrenntseyn als Staat nicht mit umfassen will, so darf es sich deshalb mit nichten an den Schwaben und Franken erholen, insofern sie Eines Staates aber verschiedenen Stammes sind.

Da für den östlichen Zweig des baierischen Dialekts durch Höfers etymologisches Wörterbuch der österreichischen Mundart schon ein vielgenügendes Werk erschienen ist, so bleibt nur die Sprache der eigentlichen Altbaiern, und der verwandten Oberpfälzer, wozu bereits Praschius, Herwig, Klein, Zaupser, Hübner ec. schätzbare Beiträge vorhanden sind – eine zunächst liegende Aufgabe.

Wie kann diese Aufgabe auf die genügendste Art gelöst werden?

Es scheint vor allem, daß die blosse alphabetische Ordnung eines Wörter-Verzeichnisses bei einer schon stehenden, in ihrem ganzen Umfange gekannten Sprache besser am Platz ist, als wo es sich darum handelt, die vielfach zerstreuten und verlornen Wörter einer ganz unbearbeiteten Sprache erst aufzufinden, und nach und nach ihren ganzen Vorrath an Tag zu fördern. Dies fühlten wol auch die ersten und ältesten Wörtersammer, da sie es leichter und natürlicher fanden, den Sachen folgend die Namen zu suchen und aufzustellen, als die Namen blos nach einem ganz unwesentlichen Merkmal zu ordnen.

So würde der Europäer, der sich eine Sammlung von Wörtern aus der ganz unbekannten Sprache eines amerikanischen Wilden machen wollte, genöthigt seyn, zu den Sachen, die er wiese, sich erst die Benennung sagen zu lassen. Nur an der Hand des Bekannnten, nemlich der Sachen kann so viel möglich erschöpfend dem Unbekannten, nemlich den Bezeichnungen auf die Spur gekommen werden.

Wenn es wahr ist, was schon so oft gesagt ward, daß die Sprache der vollständigste Lebensabdruck eines Volkes ist, so muß die gelungene Darstellung der Sprache eines Volkes zugleich die tiefsten Einsichten in dessen inneres sowohl als äußeres Leben und Treiben gewähren. Zu einer solchen Darstellung des Volkslebens durch die Sprache kann aber durchaus nicht die alphabetische Ordnung der Wörter, wodurch eine wahre störende Unordnung der Sachen, der Gegenstände dieses Volkslebens entsteht, gewählt werden. Die eigenthümlichen Wörter einer Mundart, eben weil sie dieses sind, können selten durch blosse Beisetzung eines entsprechenden Wortes aus der Büchersprache erklärt werden; sie fordern gewöhnlich eine weitläufige Sach-Erklärung, weil in der Regel die Sache dem Volke eben so sehr als der Ausdruck dem Dialekt eigenthümlich ist. Diese Erklärung ist aber für viele Fälle dadurch entbehrlich zu machen, daß die Wörter nach der Ordnung sich ähnlicher Sachen aufgeführt werden.

Aus diesen Gründen soll der eigenthümliche Wörter-Vorrath der baierischen Mundart in einer

I. Abtheilung des Werke nach der Ordnung der Sachen, und mit Erklärung der Sachen – in einer

II. Abtheilung nach der alphabetischen Ordnung der Wörter und mit Erklärung und Ableitung der Wörter verzeichnet werden.

Beiläufige Uebersicht der

I. Abtheilung.

a)

Eigenthümliche Wörter der Baiern nach Ordnung der Sachen.

  • Eigen-Namen der Baiern von den erstbekannten Zeiten an als Volk, als Familien, als Personen.
  • Taufnamen, und deren Verstümmelung im Mund des Volks.
  • Wörter aus den ältern Gesetzsammlungen und Urkunden.
  • Wörter, durch Berührung mit Römern, Galen, Slaven, Welschen ec. eingeführt.
  • Namen der Flüsse, Berge, Wälder, Gauen, Gegenden, und Ortschaften des Landes.
  • Eigene Ausdrücke über Zeit, Wetter, Elemente, Himmel, (Physik, Astronomie des Volkes), Alter, Leibes-Beschaffenheit, Krankheiten, Verwandtschaften, Verhältnisse zwischen beiden Geschlechtern.
    • Religion, Feste, Amtswesen, Aberglaube, Spiele.
    • Ackerbau – Werkzeuge – Arbeiten – Boden – Getreidearten – Feldfrüchte jeder Art – deren Verbrauch – Obst – Gartenwesen.
    • Viehzucht, Zug- und Hausthiere, Weide, Alpen, Jagd, Thiere, Baum-Arten – Holz.
      • Fische – Fischfang.
      • Speisen. Geschirre.
      • Getränke. Maase.
      • Fuhrwesen, Schifferwesen.
      • Bergwerk, Salzwerk.
      • Kleider, Spinnerei, Weberei.
      • Gebäude-Arten.
      • Volküblichste Handwerke. Werkzeuge.
      • Soldatenwesen.
      • Bauern-Regeln. Sprichwörter. Redensarten ec. ec.
    • Jedes aufgeführte mundartige Wort soll fortlaufend numerirt seyn.

b)

Da alle Wörter einer Sprache, einzeln gesetzt noch nicht hinreichen, ein recht lebendiges Bild dieser Sprache und des Volkslebens zu geben, so sollen dieser I. Abtheilung Muster zusammenhangender Reden angefügt werden. Diese sollen bestehen in nicht werthlosen Liedern, Kernsprüchen, Volkssagen, Gemälden und Erzählungen aus dem Leben, nach dem Sinn und ganz in der Sprache des gemeinen Mannes – was ursprünglich den Alten die Idylle war.

c)

Als Ergebniß des ganzen Inhalts der I. Abtheilung soll eine Aufstellung der Begriffe und Verhältnisse gegeben werden, welche nicht durch eigene Worte, sondern blos durch Vor- und Zusätze und Veränderungen in den Wörtern, besondere Stellung der Wörter ec. ausgedrückt werden. Über diese Veränderungen sollen Regeln abgezogen werden, wobei wieder nicht die Wörterform, sondern die Begriffe und Verhältnisse den Weg zu zeigen haben.

Durch die Regel-Lehre der Mundarten muß die Regel-Lehre der Büchersprache eine nicht minder wohlthätige Aufhellung und Ergänzung erhalten, als es in Rücksicht des beiderseitigen Wörter-Vorrathes der Fall ist.

II. Abtheilung.

Eigenthümliche Wörter der baierischen Mundart in alphabetischer Ordnung.

Jedem Worte wird die entsprechende Numer der I. Abtheilung beigesetzt.

Alles nach der Abstammung zusammengehörende wird zusammengestellt, jedoch soll über jedes Wort an seinem alphabetischen Platz Nachweisung gefunden werden.

Als der Mundart eigenthümlich (idiotisch) werden überhaupt nur solche Wörter aufgeführt, welche

  1. bei gleicher Form eine andere Bedeutung haben als die entsprechenden in der Büchersprache vorkommenden, dann die welche
  2. von den entsprechenden hochdeutschen Wörtern der Form nach durch mehr als die blosse Neigung und Gewohnheit der Mundart, gewisse Laute und Lautfolgen auf diese oder jene Art auszusprechen oder zu verwechseln – verschieden sind; bei welchen daher die Verschiedenheit nicht von der blossen Aussprache sondern von der Vor- Ein- oder Nachsetzung oder Veränderung oder Auslassung wesentlicher Laute herrührt.
  3. Solche, die gar nicht oder nicht mehr in der Büchersprache anzutreffen sind.
    (am Rand: Diese als die wichtigsten sind besonders ins Auge zu fassen.)

Bei jedem Wort soll, wenn es mit einiger Zuversicht geschehen kann, die Abstammung gezeigt werden, es sollen die Verrwandten oder die Wurzeln in so fern sie in andern Dialekten oder Sprachen leben – nachgewiesen werden, vorzüglich aber soll immer darauf Bedacht genommen seyn, wie der Büchersprache aus den mancherlei Ausdrücken der Mundart Licht für die Wortableitung und wie ihr Bereicherung an vorzüglichen Wörtern erwachsen könne.

Da bei räthselhaften Wörtern die wahre Urform oft nur aus der verschiedenen Aussprache mehrerer Gegenden herausgefunden werden mag, so sollen gewisse hauptsächliche Aussprachbezirke festgesetzt und aus jedem über ein solches Wort die Aussprache erholt werden.

Diese Aussprach-Bezirke möchten seyn:

  1. Baierisches Gebirg,
  2. Baierisches Flachland an Donau, Lech, Isar, Inn,
  3. Baierischer Wald,
  4. Ober-Pfalz an Nab und Pegnitz.

Es bildet sich aus der Beobachtung einer gewissen fortlaufenden Ähnlichkeit der Mundart mit der Büchersprache ein selten trügendes Gefühl, wie ein Wort, das im Mund des Volkes, wenn auch noch so wunderlich klingt, im Hochdeutschen lauten möchte, so daß man dasselbe auf hochdeutsche Art niederzuschreiben im Stande seyn wird. Dieß war vermuthlich auch der Fall der ersten Schreiber deutscher Sprache, der Mönche Ottfried, Kero, Rhaban Maurus ec., die, statt wirklich gehörte Laute zu bezeichnen alles in die geläufigern lateinischen Laute übersetzten und daher ihrer Sprache ein für uns so fremdartiges Ansehn gegeben haben. Daher ist nicht unwesentlich, jedes Wort der Mundart nach der wirklich üblichen Aussprache zu bezeichnen. Aber in treuer Befolgung des Grundsatzes, daß die Mundarten, diese hauptsächlich durch Aussprache einander entfremdeten Geschwister so viel möglich der Stammhalterinn zugebildet werden müssen, soll ja vermieden werden, für die Mundart eine Bezeichnungsweise zu wählen, die von der angewohnten hochdeutschen gar zu auffallend verschieden wäre, besonders, da es möglich ist, das für das Ohr sich widerstrebende wenigstens für das Aug in ziemliche Eintracht zu bringen.

So wie das jetzige Französische und Englische manche in der lateinischen Muttersprache oder wenigstens in der lingua rustica des Mittelalters noch gesprochenen Laute, aus mancherlei Ursachen nicht mehr, oder anders auszusprechen gewöhnt ist, so ists auch bei der baierischen Mundart größtentheils der Fall. So wie aber im Französischen und Englischen im Schreiben jene ursprünglichen Laute, trotz manchen Versuches des Gegentheils noch beibehalten werden, so soll es auch mit dem baierischen Dialekt gehalten werden. Das geschriebene Baierische soll geschriebenes Deutsch seyn – und wie jeder englischen oder französischen Grammatik eine eigene Aussprach-Lehre vorangeht, so soll auch unserm Werke über Mundart der Baiern eine bündige Aufstellung von Regeln vorangehen, wie, in den verschiedenen Fällen, jedes deutschgeschriebene Wort auf ächt baierische Weise auszusprechen sey.

 

Dieses möchten ungefähr die hauptsächlichen Seiten der zu lösenden Aufgabe über die Eigenthümlichkeiten der baierischen Volkssprache seyn. Aber eine Arbeit, deren Gegenstände sich in tausend örtliche und andere Verhältnisse verlieren, und die nur durch Anknüpfung von vielfach zuführenden Fäden eine Art von Vollständigkeit erlangen kann, ist wol über die Kräfte eines Einzelnen. Nur wenn alle Beobachtenden im Lande, besonders Beamte, Geistliche, Lehrer veranlaßt werden, nach Vorschrift und Verlangen desjenigen, der die ganze Unternehmung übersieht, mit Hand an zu legen und Beiträge zu liefern, ist Gelingen zu hoffen. Aber zu solch einer Veranlassung bedarf es des Ansehens einer vom Staat aufgestellten, geachteten weitgreifenden Behörde. Wir haben in Baiern glücklicher Weise eine Behörde der Art – eine Akademie, in deren Wirkungskreis eine Aufgabe, wie die vorliegende, zuallernächst zu gehören scheint, besonders wenn man auf das zurücksieht, was ihre ältern Schwestern gethan haben, denen wir Wörterbücher der französischen, spanischen, italienischen, russischen Sprachen verdanken.

Möge der baierischen Akademie ein baierisches Wörterbuch verdankt werden, bis einst aus den mehrbearbeiteten Mundarten ein erschöpfendes deutsches zu Tage gefördert werden könne.

Auch bei so mächtigem Vorschub würde nicht zu bestimmen seyn, in welcher Zeitfrist die Arbeit als vollendet zu erklären seyn dürfte. Aehnliche Arbeiten werden es eigentlich nie. Aber eine Frist ist festzusetzen, in welcher das Werk wenigstens die Hauptumrisse und die wichtigsten Ausfüllungsgegenstände erhalten haben kann, um durch den Druck, oder wie immer vervielfältigt, etwa mit Papier durchschossen den vaterländischen Beobachtern bis auf eine weitere Frist zur ferneren Vervollständigung und Sichtung ausgetheilt zu werden. Hierbei würde wieder die Ordnung nach Sachfächern der I. Abtheilung, welche nie so streng abgeschlossen ist, wie die alphabetische, ihre besondern Vortheile bewähren.

Wie kann aber der Schreiber gegenwärtiger Bemerkungen eben auch sich berufen fühlen, an einer solchen Arbeit Theilnehmer zu seyn?

Dieser Beruf ist ihm die Liebe, mit der er seit 13 Jahren vorzugsweise zu Forschungen und Beobachtungen über die Sprache, besonders die deutsche in ihren verschiedenen ältern und neuern Formen – hingezogen sich fühlt. Er hat seine erste Jugend unter dem baierischen Volke zugebracht – hat aber seitdem Gelegenheit gehabt, verschiedene andre deutsche Dialekte zu beobachten, ja den äusserst reichhaltigen alemanischen sich gleichsam als zweite Muttersprache anzueignen. Dieser Umstand scheint bemerkt werden zu müssen, denn, kann wol der, in seiner, von Geburt aus angewohnten Form, befangene, über diese Form so richtig urtheilen und beobachten, als ein andrer, der eine ihm fremdgewordene ursprüngliche Bekannte nun mit freiem prüfendem Auge wieder erkennt? –

Der Stoff des Werkes tönt hundertfältig um uns her, es braucht zunächst nur ein geübtes Ohr, um das Rechte, aufzeichnenswürdige herauszuhören.